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Personality ist entscheidend: Moderatoren fallen nicht vom Fernsehhimmel

Der Wahl des Moderators kommt eine besondere Bedeutung zu. Sein Auftritt und seine Persönlichkeit prägen die Sendung entscheidend mit. Erfolg oder Misserfolg wird oft der Moderationsleistung zugeschrieben. Doch die jeden gewinnende Publikumsansprache gelingt heute immer seltener. Wie alles beim Fernsehen unterliegt auch die Moderatorenfrage dem aktuellen Zeitgeist. Abzulesen war die Trendwende an der Moderationspraxis der Privaten, deren Andersartigkeit nicht zu übersehen war.

In 7 vor 7, der Vorläufersendung von RTL Aktuell, trat Hans Meiser als erster Newsanchor ohne Krawatte auf. Die Sendung zeichnete sich auch durch härteres Nachfragen bei Politikerinterviews aus, damals ein Novum. Waren bis zur Einführung des Privatfernsehens lediglich Politiker, Wissenschaftler, Künstler, Funktionäre oder anerkannte Kommentatoren zu sehen, eroberten zunehmend Jedermann-Menschen die Mattscheibe. Der Normalo trug zur Demokratisierung des Fernsehens bei. Und der schräge Outlaw stieg zum Liebling des Fernsehens auf. Bestes Beispiel lieferte hierfür der auf Krawall gebürstete ProSieben-Talk Arabella, in dem hauptberuflich Tätowierte und Weltrekordinhaber von Piercings auftraten.
Arabella Kiesbauer
Showtalent Arabella Kiesbauer galt Mitte der 90er-Jahre als Vertreterin der „lauten Nachmittagstalks“. Die unkonventionelle Talkshow auf ProSieben richtete sich an ein jugendliches Publikum.
© ProSieben

Bezeichnenderweise haben sich auch die Begrifflichkeiten für Fernsehpräsentatoren über die Jahre geändert. Heute spricht man in der Regel vom „Moderator“ oder vom „Host“ der Sendung. Der „Presenter“ zielt mehr auf den werblichen Kontext, wie zum Beispiel bei Teleshoppingsendern. Von „Showmastern“ und „Entertainern“ sprach man hingegen früher. Fällt der Begriff Entertainer, geraten ältere Zuschauer regelrecht ins Schwärmen. Zur altehrwürdigen Garde gehörte etwa Hans-Joachim Kulenkampff, der von seinen Fans liebevoll „Kuli“ genannt wurde. Er trug zu Recht den Beinamen „Mozart des Plaudertons“. Guten Abend, Nachbarn und Acht nach 8 hießen die beliebten Shows in dieser Zeit. Dann wäre da noch der charmant nuschelnde Holländer Rudi Carrell zu nennen, der mit Der große Preis oder Herzblatt den Nerv der Zeit traf. Oder der liebenswürdige Hans Rosenthal, der sich in Dalli Dalli mit seiner „Das war spitze“-Akrobatik in die Herzen der Zuschauer sprang. Schließlich der väterlich wirkende Wim Thoelke, der mit seinen Co-Moderatoren Wum und Wendelin in Der große Preis die familienkompatible Show beherrschte. So eindrucksvoll die Leistungen dieser Fernsehgrößen waren, so schwer hätten sie es allesamt heute. Thomas Gottschalk, der viele Jahre den Ruf eines begnadeten Show-Naturtalents innehatte, bekam das zu spüren, als er sich von Wetten, dass ..? nach einem tragischen Wettunfall zurückzog.

Einen frecheren Moderationsstil läutete „Dirty Harry“ ein. Mit der legendären Harald Schmidt Show, die sich an den US-amerikanischen Late-Night-Shows orientierte, stieg Harald Schmidt zum Großmeister der ambitionierten Gags auf, die er immer mit einer zynischen Note versah. Schließlich kam Frauenpower ins Programm: Margarethe Schreinemakers, Bärbel Schäfer, Sabine Christiansen, Sandra Maischberger, Maybrit Illner und Anne Will stehen für eine Erneuerung des Fernseh-Talks.

Durch die konsequente Ausrichtung auf jugendliche Zielgruppen betrat ein neuer Moderatorentypus die Bühne. Allen voran ist hier Stefan Raab zu nennen, der unerschrockene Tausendsassa des deutschen Fernsehens, der 2015 seine Fernsehkarriere beendete. Mit seinen Shows TV-Total und Schlag den Raab, in der er selbst als Teilnehmender auftrat, galt Raab als der Prototyp einer neuen Moderatoren-Generation. Mit seiner unverfrorenen Art hat er es bis ins Kanzlerduell geschafft. 17 Millionen Zuschauer hatten das politische Live-Spektakel gesehen. Auf dem Pfad des provokanten Moderationsstils sind ihm einige gefolgt. Doch Talente wie Raab werden wohl die Ausnahme bleiben.