Umkehrschluss: Die Schattenseiten des Moderierens
Moderatoren gehören zu jenen Personen, die sofort alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn sie einen Raum betreten. Liegt das an ihrer Berühmtheit oder an ihrer Persönlichkeit? Schwer abzuschätzen. Vermutlich wären sie auch ohne die Mattscheibe beeindruckende Menschen. Der Fernsehjournalist und langjährige Tagesthemen-Moderator Hanns-Joachim Friedrichs versteht die Aufregung um den Moderator nicht. Er zeigt die Grenzen der Moderation auf: „Jemand, der nicht selbst vor Ort war“, der sich aufs Präsentieren und Erläutern der „Beiträge anderer Leute“ beschränkt, „die in aller Regel die Substanz jeder Sendung sind“, kann gar nicht so so authentisch Inhalte vermitteln. (Friedrichs 1994: 256). Genau genommen sei das „Sekundärjournalismus“, meint Friedrichs, der lange Zeit auch als Auslandsreporter unterwegs war. Friedrichs findet, dass „Reportieren“ sich oftmals mehr lohne als das „Moderieren“ (ebenda: 277).
Noch in mancherlei anderer Hinsicht ist es verwunderlich, was den Moderationsjob eigentlich so begehrenswert erscheinen lässt. Die vielen Blicke, denen diese Rampenlicht-Protagonisten ausgesetzt sind, würden vielen Normalbürgern eher Unbehagen bereiten. Ähnlich wie Schauspieler stellen Moderatoren etwas Persönliches in einen unpersönlichen Raum. In der Regel wissen sie nicht, was damit geschieht. Das macht verwundbar. Zudem birgt jeder Live-Auftritt die Möglichkeit des Scheiterns in sich. Wer will schon in einem YouTube-Video mit einem peinlichen Patzer vorgeführt werden? Das Netz zumindest ist voll davon.
Fehler on Air rächen sich meist bitter. So rutschte einer Moderatorin des längst eingestellten Verkaufssenders 9Live in der Hitze des Gefechts einst das völlig deplatzierte Nazi-Zitat „Arbeit macht frei“ heraus. Das geschah zwar um 3:00 Uhr morgens, bei einem Telefon-Live-Gespräch mit einem Zuschauer. Dieser peinliche und nicht wieder gutzumachende sprachliche Lapsus kostete sie allerdings den Job. Zu den unangenehmen Begleiterscheinungen eines Moderatoren-Daseins gehört, dass die Fernsehgesichter permanent im Licht der Öffentlichkeit stehen – selbst dann, wenn die Kamera nicht läuft. Als sich die NDR-Moderatorin Eva Herman, lange Zeit das weibliche Aushängeschild der Tagesschau, bei einer Buchvorstellung in unglückliche Äußerungen zur Familienpolitik der Nationalsozialisten verstrickte, stürzte sich die Boulevardpresse auf diese Entgleisung. Fortan galt sie als „braune Eva“. Der Skandal um ihre Person spitzte sich zu, als Johannes B. Kerner sie 2007 aus einer Live-Sendung warf. Die Moderatorin kämpft seitdem vergeblich um die Rehabilitierung ihres Rufes. Es gibt also kaum einen Fernsehberuf, bei dem Aufstieg und Fall so nahe beieinanderliegen wie in der Moderation.