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Traum Quotenhit: Wie man neue Formate entwickelt

Welcher Fernsehmacher hat nicht schon mal davon geträumt, eine Live-Sendung zu entwickeln? Mit außergewöhnlichen Themen, anders aufbereitet? Nur Mut dazu! Versuchen Sie Ihr Glück! Aber seien Sie nicht enttäuscht, wenn es nicht auf Anhieb klappen sollte. Formatinnovationen sind fast immer das Ergebnis eines zähen Prozesses, an dem sehr viele Menschen beteiligt sind. Schließlich ist jede Neuentwicklung eine finanzielle Investition, die gut überlegt sein will. Alle Entscheidungen, die im Prozess der Formatentwicklung getroffen werden, prägen das Erscheinungsbild einer Sendung – und das oftmals über Jahre. Auch wenn es nicht so aussieht: Schnellschüsse sind in der Welt des Fernsehens eher selten. Der Entwicklungsprozess bedeutet fast immer einen Akt der Anstrengung, der vielfach neben dem journalistischen Alltagsgeschäft vonstattengehen muss. Ob sich die Mühe lohnt, steht auf einem anderen Blatt. Tatsächlich haben nur die wenigsten neuen Formate das Potenzial, die Zuschauerherzen im Sturm zu erobern. Ein Flop verbrennt nicht nur Geld, sondern kratzt auch am Image des Senders. Umgekehrt, wenn man einen Erfolg landet, weckt dies schnell Begehrlichkeiten. Und ehe man sich’s versieht, steht man unter dem Druck, einen „All-Time-Favorit“ bedienen zu müssen. Zudem gelten hohe Anforderungen an den Look des Fernsehens. Ob Set-Architektur, Sendeverpackung oder Audiodesign – der Auftritt muss in jeder Hinsicht erstklassig aussehen. Nicht immer gelingt es, die inhaltlichen und gestalterischen Anforderungen unter einen Hut zu bringen. Die Schwierigkeiten scheinen schon deshalb programmiert, weil die verschiedensten Gewerke in die Formatentwicklung involviert sind. Und trotzdem:

Die strategische Weichenstellung

Bevor man Formate entwickelt, sind die drei Punkte zu klären: Man muss wissen, wer man ist. Man muss wissen, wie man wirken will. Und man muss einschätzen können, was man zu leisten vermag. Es braucht einen Kompass, der anzeigt, wohin die Reise gehen soll und welche Schritte dafür notwendig sind. Wenn Ihnen eine Formatidee vorschwebt, analysieren Sie als Erstes den Markt. Bleiben Sie realistisch und bauen Sie keine Luftschlösser. Machen Sie sich klar, dass Marketing im Prozess der Formatentwicklung eine wichtige Rolle spielt. Zunächst brauchen Sie eine Idee, die Flügel verleiht. Dann ein Konzept, für das es sich zu kämpfen lohnt. Und schließlich den Mut und die Mittel, das Ganze auch tatsächlich umzusetzen.
Grafik: Senderpositionierung (PDF)


Just do it: Checkfragen zur Formatentwicklung

  • Welche Live-Formate passen zu Ihrem Sender?
  • Welche Themenfarbe fehlt in Ihrem Programm-Portfolio?
  • Transportiert die Formatidee den Markenkern des Senders?
  • Gibt es im Sender Talente, die Sie entwickeln möchten?
  • Welche Elemente könnten Ihre Formatidee einzigartig machen?
  • Warum könnte die Formatidee gerade jetzt funktionieren?
  • Gibt es eine Zeitschiene, die sich anbietet?
  • Welche Ressourcen stehen zur Verfügung?
  • Gelingt die Realisation unter Live-Bedingungen?

Die Suche nach dem Alleinstellungsmerkmal

Was kommt an? Was wurde noch nicht gemacht? Mit welchen Programminhalten und mit welchen Präsentationsformen könnte man als Sender eine Nische besetzen? In Entwicklungsfragen, aber auch im turnusmäßigen Live-Betrieb, geht es darum, wie man sich von der Konkurrenz abheben kann. „Be different or die“ lautet eine Weisheit aus der Werbebranche, die auch beim Fernsehen gilt.

Tipp: Suchen Sie nach einem signifikanten Alleinstellungsmerkmal, um sich von der Masse der Fernsehprogramme abzuheben. Ein neues Sendekonzept muss attraktiv sein, sonst droht es, im Einheitsbrei unterzugehen.

Beispiel: Ein Format, das sich ganz am Lebensgefühl jugendlicher Zielgruppen orientiert, ist die Musikshow The Voice of Germany. Wie eigentlich alle Castingformate betrachtet sie das Leben als Challenge. Die Idee, dass die Gesangstalente für die Jury zunächst unsichtbar bleiben, macht sich den alten Hitchcock-Trick zunutze, dass nämlich der Zuschauer immer ein bisschen mehr weiß als die handelnden Personen. Es entsteht eine Erwartungsspannung, die den Fernsehzuschauern die Möglichkeit gibt, mit den Kandidaten mitzufiebern. So wird der rote Buzzer zum Alleinstellungsmerkmal und zum Symbol einer überaus erfolgreichen und lukrativen Formatidee.

Alles, was zählt, ist die Formatidee

Was macht eine gute Idee aus? Der griechische Philosoph Demokrit hat bereits darauf hingewiesen, dass das Neue meist nicht wirklich neu ist, sonders aus bereits existierenden kleinsten Teilen entsteht: „Was eine gute Idee auszeichnet, ist die einzigartige Rekombination von bereits Bekanntem … Die Originalität einer Innovation liegt nicht darin, dass sie aus dem Nichts geschaffen worden wäre, sondern darin, dass in ihr Bekanntes neu und einzigartig arrangiert wurde“ (Gassmann/Friesike 2012: 24). So folgte The Voice of Germany auf bereits bestehende Castingformate wie Deutschland sucht den Superstar oder Popstars – eben ergänzt um die Idee, dass „nur die Stimme zählt“.
Solche Fernsehinnovationen fallen nicht vom Himmel. Zwei Jahre hatte das holländische Unternehmen Endemol in die Entwicklung der Musikshow gesteckt. Investiert wurden dafür zwei Millionen Euro, ein Betrag, den kein Sender hierzulande je allein aufbringen würde. The Voice erreicht mehr als 500 Millionen Zuschauer weltweit. Und die Jurystühle drehen sich mittlerweile auf allen Kontinenten. Vom durchschlagenden Erfolg war selbst der Erfinder John de Mol überrascht. Dass sich so eine Fernsehidee auch finanziell auszahlt, braucht nicht weiter betont zu werden. John de Mol zählt inzwischen zu den 1.000 reichsten Personen der Welt. So mancher Fernsehschaffende fragt sich, warum er nicht selbst auf einen ähnlichen Einfall gekommen ist.
Den berühmten Heureka-Moment, also das Finden einer Idee, sollte man nicht allzu sehr mystifizieren. Viel schwieriger als eine gute Idee zu haben, dürfte es wohl sein, diese auch durchzusetzen. Dazu braucht es einen langen Atem, die richtigen Kontakte und eben auch die finanziellen Mittel. Um aus dem zarten Pflänzchen einer Formatidee einen stolzen TV-Baumriesen zu machen, ist schließlich noch ein geeigneter Sendeplatz notwendig, neben dem festen Glauben daran, dass der Markt reif ist für die Idee.

Formatideen einkaufen

Nichts fürchten Programmverantwortliche so sehr wie den Misserfolg. Um auf Nummer sicher zu gehen, werden manche Formatideen eingekauft und in Lizenz produziert. Wer auf diese Karte setzt, ist sich darüber im Klaren, dass sich der Lizenzanbieter die Idee teuer bezahlen lässt. Zusätzlich wird über den Produktionsdienstleister, den der Käufer meist verpflichtend beauftragen muss, kräftig mitverdient. Das Format wird gewissermaßen in einem Gesamtpaket erworben, bei dem die Umsetzung bis ins kleinste Detail vertraglich festgelegt ist. Als Lizenznehmer ist man verpflichtet, eine Vielzahl von Formatvorgaben zu erfüllen. Alles, wirklich alles – vom Logo über den Spielablauf bis zur Blendgeschwindigkeit von Effektblenden –, ist bei einem Lizenzformat präzise vorgegeben. Erst durch Restriktionen dieser Art entsteht eine weltweit funktionierende Fernsehmarke.

The Voice of Germany
Weltweit erfolgreich: Die Musikshow The Voice
© ProSieben / SAT.1. Foto: Richard Hübner

Von der Formatentwicklung zur Formatpflege

Formatfernsehen ist immer auf eine langfristige Wirkung angelegt. Damit Formate dauerhaft am Markt erfolgreich sind, müssen sie gehegt und gepflegt werden. Formatoptimierung ist ein permanenter Prozess, der genau genommen niemals endet. Stets geht es darum, die richtige Balance zwischen neuen und wiederkehrenden Elementen zu finden.

Tipp: Zu viel Neues in ein bestehendes Format hineinzupacken, ist genauso schlecht, wie ständig auf Althergebrachtem herumzureiten. Eine Balance zwischen beiden Extremen sollte gelingen.

Dieses Oh-das-kenne-ich-das-macht-mich-froh-Gefühl kann ein ausschlaggebendes Moment dafür sein, warum die Zuschauer öfter einschalten. Allerdings ist das mit der Formattreue und den Gewöhnungseffekten ein zweischneidiges Schwert: Eine Formatidee kann sich auch abnutzen, besonders dann, wenn nicht genügend Zeit zwischen den Staffeln liegt und eine Sättigung eintritt. Formate kommen und Formate verschwinden wieder von den Bildschirmen. Irgendwann sind die Tage auch noch so gut laufender Klassiker gezählt. Dann muss etwas Neues her.

Alles auf Anfang: Der Formatstart als organisatorischer Prozess

Es fängt meist mit einer Idee klein an und mündet schließlich in ein Vorhaben, an dem viele Menschen beteiligt und bei dem unzählige Abstimmungsschritte notwendig sind. Wer diesen Prozess das erste Mal durchlebt, dem steht die steilste Lernkurve bevor, die man als Fernsehmacher hinlegen kann. Ob daraus ein großer Wurf wird, hängt davon ab, wie gut die Gewerke zusammenspielen und wie professionell sich einzelne Personen verhalten. Es kann gut sein, dass Sie sich als Redakteur manchmal nicht ausreichend gehört fühlen, weil drängendere Fragen anstehen als beispielsweise inhaltliche Details Ihrer Sendung. Womöglich wird man Ihre Meinung sogar ignorieren, weil die Formatentwicklung die Stunde der Strategen, Designer und Technikverantwortlichen ist. Spielen Sie Ihre Rolle als Anforderer und Feedbackgeber so gut Sie können. Lassen Sie nicht locker, wenn Sie das Gefühl haben, dass sich die Dinge verselbstständigen. Mit den Folgen müssen Sie leben, während die Designer längst mit anderen Sendungen beschäftigt sind.

Geburtswehen bei der Formatentwicklung

Was in Konzeptpräsentationen oder auf dem Papier gut aussah, stellt sich vielleicht im Studio als problematisch heraus. Wobei im kreativen Entwicklungsprozess völlig neue Umsetzungsideen entstehen können, die man vorher so noch nicht auf dem Schirm hatte. Im Idealfall besteht der Formatentwicklungsprozess aus mehreren Phasen, die aufeinander aufbauen und die in enger Abstimmung zwischen Entwicklern und Entscheidern vorangetrieben werden. Im schlechtesten Fall finden Sie sich in endlosen Grundsatzdiskussionen wieder, was man wie machen könnte.

Tipp: Vermeiden Sie Diskussionen, die ins Geschmäcklerische abdriften. Da Geschmäcker bekanntlich verschieden sind, führen Streitgespräche dieser Art nicht weit.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Entwickler mit zahlreichen Vorschlägen aus der Chefetage bombardiert werden. Der Entstehungsprozess verlangt Durchblick und einen langen Atem sowie eine genaue Dokumentation dessen, was man gerade tut. Die Kommunikationskanäle und Entscheidungswege müssen funktionieren. Und über allem schwebt wie ein Damoklesschwert ein Zeitplan. Nichtsdestotrotz sind Proben bei Live-Sendungen unverzichtbar.

Der Fahrplan zum Launch

Der Formatstart ist dann geglückt, wenn die erste Live-Sendung fehlerfrei über die Bühne gegangen ist. Es ist durchaus Usus, dass in der Einführungsphase, also im laufenden Betrieb, noch nachjustiert wird. Zudem sollten gleich von Anfang an immer mehrere Kollegen in die Formate eingearbeitet werden. Kollegen, die neu hinzukommen, brauchen eine Anlaufphase. Alle Details der Umsetzung werden in einer „Format-Bibel“ und in einem „Regiebuch“ festgehalten, was Übergaben erleichtert und einen einheitlichen Auftritt sicherstellt.
Wenn in diesem Kapitel eines deutlich geworden ist, dann dieses: Die Formatentwicklung braucht nicht nur Zeit, System, Plan und lösungsorientiertes Handeln, sondern sie tangiert auch viele Zuständigkeitsbereiche. Einen Überblick darüber, was, wann zu tun, und wer, wo gebraucht wird, gibt diese Tabelle:
Projektplanung Formatstarts (PDF)

Es gibt keine Garantie auf Erfolg

Als im Sommer 2014 bei RTL die Musikshow Rising Star on Air ging, waren die Erwartungen groß. Die Sendung wurde mit unglaublichem Aufwand und einem außerordentlich hohen „Production Value“, also Produktionsstandard, produziert. Als Eyecatcher fungierte eine 150 Quadratmeter große, rund zehn Tonnen schwere LED-Multimediawand. Rising Star hatte alles, was eine große Musikshow braucht. Sie war bildlich opulenter und interaktiver angelegt als alle anderen Musikshows. Über eine eigene App konnten die Zuschauer zuhause voten. Aus Sicht der Macher hatte man alles richtig gemacht. Doch das neue Format floppte.
Dieses Beispiel zeigt, wie schwer es tatsächlich ist, neue Formate zum Fliegen zu bringen – auch wenn höchste Professionalität an den Tag gelegt wird. Der Grund, warum sich der Hype nicht einstellen wollte, ist schwer auszumachen. Manche führten die Probleme auf Unstimmigkeiten im Votingverfahren zurück. Andere vertraten die Meinung, dass im deutschen Fernsehen kein Platz für ein weiteres Castingformat sei.
In der deutschen TV-Landschaft kommt es verhältnismäßig oft vor, dass Staffeln gekürzt oder Formatideen schnell wieder zu Grabe getragen werden. Der Druck, der auf Programmverantwortlichen lastet, ist enorm. Jeder Formatflop verbrennt viel Geld und kratzt am Image des Senders. Die Erfahrung, die RTL mit Rising Star machen musste, bleibt keinem Sender erspart. Selbst wenn man glaubt, alles richtig gemacht zu haben, bedeutet das nicht, dass das Format beim Zuschauer auch tatsächlich ankommt.
Das Risiko des Scheiterns besteht immer. Aus dem Stand die Latte zu küssen, wie es so schön heißt, fällt heute besonders schwer, weil schon alles irgendwie und irgendwann einmal gemacht wurde. Branchenintern wird von einer Floprate ausgegangen, die über 60 Prozent liegt. Die Anzahl der Flops ist übrigens senderübergreifend annähernd gleich hoch. Letztlich bedeutet das: Es scheitern mehr Formatinnovationen, als glücken. Alle Sender arbeiten fieberhaft daran, ihre Misserfolge zu reduzieren. Doch dies wird wohl für immer ein frommer Wunsch bleiben. Es gibt keine Garantie, kein Rezept, keine „Weltformel für den Formaterfolg“, wie es Filmwissenschaftler Hans Beller im Video dieser Publikation formuliert.
Formate zu entwickeln, ist die eine Sache, für dauerhaften Erfolg zu sorgen, die andere. Anders ausgedrückt: Hoch zu kommen ist schon schwer, doch oben zu bleiben ist noch viel schwerer. Wer sich das vor Augen führt, bekommt Respekt vor den langlebigen Formaten, die zum Teil schon seit Jahrzehnten über den Bildschirm flimmern. Angesichts dieser ernüchternden Überlegungen bekommt man eine Ahnung davon, wie schwer das Fernsehgeschäft tatsächlich ist.

Sieben Erfolgsfaktoren für einen gelungenen Formatstart

Auch wenn es keine Rezepte für einen erfolgreichen Formatstart geben kann, so kann man zumindest für gute Rahmenbedingungen sorgen. Wenn Sie folgende Punkte berücksichtigen, stehen Ihre Chancen gut, dass die Formatentwicklung auch wirklich das Zeug zum Dauerbrenner hat:

1. Formatentwicklung ist Chefsache
Viele Programminnovationen werden an die Wand gefahren, weil sie halbherzig verfolgt werden. Deshalb ist es von Bedeutung, wer das Vorhaben verkündet: Am besten der Chef tut es – kraft seines Amtes. Große Vorhaben und Ziele bedürfen der Vorgabe. Eine Idee, die von oben gewollt ist, hat bessere Chancen, ernstgenommen zu werden. Es sollte keinesfalls der Eindruck erweckt werden, dass „mal so herumprobiert“ wird.

2. Zeit und Qualität bedingen sich gegenseitig
Killer Nummer eins in der Formatentwicklung ist mangelnde Zeit. Ansagen wie „Das Format muss in zwei Monaten stehen“ sind kontraproduktiv. Sie befördern nur ein Rattenrennen, bei dem wenig herauskommt. Zeit ist neben Geld vielleicht die wichtigste Ressource, um Qualität zu erlangen. Oft mangelt es am Ende noch mehr an Zeit, weil sich die Beteiligten in Nebensächlichkeiten verzettelt haben. Fehlt der letzte Schritt der kritischen Distanz, steigt das Risiko, einen Flop zu landen.

3. Professionelles Projektmanagement
Klar definierte Prozesse und Zuständigkeiten sind unabdingbar für einen gelungenen Formatstart. Herumwursteln kostet nicht nur Kraft und Nerven, sondern verschlingt auch Ressourcen. Dann nämlich, wenn hinterher nachgebessert werden muss. Die Begleitmusik liefert die Art und Weise, wie kommuniziert wird. Unabdingbar während des gesamten Prozesses ist ein optimaler Informationsfluss. Wenn es Projektverantwortliche schaffen, die Beteiligten auf Augenhöhe abzuholen und in Entscheidungen einzubeziehen, stehen die Aussichten auf Erfolg gut.

4. Ohne Freiräume geht es nicht
Türen zu neuen Lösungen öffnen sich besser, wenn Routinen verlassen werden und „Out-of-the-box“ gedacht wird. Große Ideen entstehen kaum, wenn sie quasi nebenbei entwickelt werden. Sie verlangen Geduld und Aufmerksamkeit. Wenn das Tagespensum schon so voll gepackt ist, wie soll da etwas Neues entstehen? Um eine Aufbruchsstimmung entstehen zu lassen, sind gerade am Anfang Energie und Ideenkraft notwendig.

5. Scheitern gehört dazu
Wer Neues will, muss die Bereitschaft mitbringen, Niederlagen einzustecken. „Fail fast. Succed faster“, so lautet ein Spruch erfolgreicher Start-ups aus dem Silicon Valley. Von dieser Kultur könnte sich das Fernsehen eine Scheibe abschneiden. Neue Wege zu gehen, schließt Irrwege. Ein Fehler bietet die Möglichkeit zur Kurskorrektur. Viel besser, als nach sofortiger Perfektion zu streben, ist es, Entwicklung zu ermöglichen.

6. Nur die besten Köpfe
Wer soll, vielmehr, wer darf entwickeln? Alle Bemühungen nutzen wenig, wenn nicht die richtigen Leute am Werk sind. Gefahr droht von den berüchtigten Ja-aber-Sagern, die kreative Prozesse blockieren können. Der berühmte Tunnelblick könnte sich einstellen, wenn „nur“ hauseigene Mitarbeiter mit der Formatentwicklung betraut werden. Gemischte Kreativteams, zusammengesetzt aus externen und eigenen Mitarbeitern, verringern die Gefahr, dass an sich gute Ideen weichgespült werden oder sich im Dickicht von Hierarchien und Eitelkeiten verlieren.

7. Eine Kultur der Offenheit
Viele Sender scheuen sich, Entwicklungsprozesse nach außen hin zu öffnen. Was spricht gegen Ideenwettbewerbe? Keiner will sich in die Karten schauen lassen. Geheimniskrämerei ist bei Sendern viel öfter anzutreffen als Transparenz. Dabei zeigen die Erfolgsbeispiele von New Economy bis Crowdfunding, dass frische Luft von außen eine Sauerstoffzufuhr sein kann. Open Innovation lautet der Begriff für die systematische Öffnung des Innovationsprozesses, der auch beim Fernsehen Schule machen könnte.
Bei null zu beginnen, macht oft mehr Spaß, als an Bestehendem herumzudoktern. Zudem hat es etwas Euphorisierendes, Positives, Stimulierendes, wenn etwas neu beginnt. Derjenige, der Neues schaffen will, sollte das aus tiefstem Herzen tun. „Wer Innovationen entwickeln will, muss sich vornehmen, etwas zu schaffen, das er selbst lieben wird. Es ist falsch, mit der Frage zu beginnen: ‚Wie kann ich innovativ sein?’ Die Frage muss lauten: ‚Wie kann ich ein großartiges Produkt entwickeln, das ich selbst lieben werde?’“ (Gassmann/Friesike 2012: 77).